Donnerstag, 15. August 2013

Interkulturelle Missverständnisse



Betrittst du mit unsicheren Füßen, weil du nicht weißt was dich erwartet, eine neue Kultur, so findest du dich unweigerlich in einer Landschaft voller Fettnäpfchen. Sich an die jeweilige Kultur anzupassen ist höflich, wenn auch scheinbar absolut nicht selbstverständlich für alle Touristen die hier nach Ruanda kommen. Kleidung ist schon mal ein Punkt. Sich nach sommerlichen deutschen Maßstäben zu kleiden, in Short und Top ist hier nun mal etwas wenig. Aber solche Dinge fallen einem ganz automatisch nach einiger Zeit auf wenn man nicht sehr ignorant ist. So bin ich schon darauf bedacht mich der Kultur anzupassen, ich bin schließlich Gast in diesem Land und versuche in die einmal getretenen Fettnäpfchen, beim zweiten Mal auszuweichen. Ich bin diese ganze Sichtweise somit vorrangig ich-zentriert angegangen, bis es einen Tag in der Schule eine Situation gab, wo sich das alles plötzlich umdrehte.
Ich stand mit Jane (einer guten Freundin von mir, die aus Kenia kommt und 2 Jahre älter ist als ich) in der Schule vor einem Klassenraum, die Kinder waren gerade nach Hause gegangen.  Jane befahl mir, ihr ihre Schuhe neu zuzubinden. Ich glaube in diesem Moment war sie in ein Fettnäpfchen meiner Kultur getreten. Befehlen ist mir generell fremd, ich denke, dass meine Generation in Deutschland sehr liberal erzogen wurde. Diskussionsbereitschaft und Hinterfragen sind Eigenschaften die in Schule und Alltag beigebracht und erwartet wurden. Von daher bin ich an „höfflich fragen“ oder „um einen Gefallen bitten“ gewöhnt und „Befehle“ gerade von fast Gleichaltrigen empfand ich als ungewohnt und unhöflich.

In den meisten afrikanischen Ländern ist der gesellschaftliche Aufbau und die Rangordnung jedoch ganz anders als in Deutschland. Jeder der jünger ist als man selber ist einem untergeordnet und egal welches Alter man erreicht, Kinder sind den Eltern generell nie gleichgestellt. So habe ich das hier zu mindestens erlebt und erklärt bekommen. Deswegen hat Jane schon mal das Recht mir etwas zu befehlen. Soviel zu den Befehlen aber daran hatte ich mich zu dem Zeitpunkt schon gewöhnt. Viel mehr ging es um die Art ihres Befehls. Jemandem anders die Schuhe zu zubinden tut man bei uns ja eigentlich nur bei kleinen Kindern die das noch nicht können oder bei kranken oder alten Menschen die das gerade nicht oder nicht mehr können. Einem völlig gesunden Menschen die Schuhe zu zubinden kam mir erst mal als frech vor, da ich es zuerst als ihre eigene Faulheit wahrnahm. Aber das Entscheidende was dazu kam, war eher das Gefühl der Erniedrigung was mit dem Niederknien vor jemanden verbunden war. Ich spürte das ganz deutlich, dass ich, jedenfalls meinen kulturellen Vorstellungen entsprechend, dabei war mich vor jemandem fast gleichaltriges freiwillig zu erniedrigen. Und das kam mir falsch vor. 

Jane hat dann bemerkt wie sehr ich mit mir selber am ringen war um die Entscheidung und ich denke dass das eine gute Erfahrung für uns beide war. So war sie nämlich auch mal in eins meiner Fettnäpfchen getreten. Ihre Schuhe habe ich ihr übrigens dann doch zugemacht und obwohl es echt ein merkwürdiges Gefühl war habe ich es als wertvolle Erfahrung verbucht. Ich weiß jetzt nicht ob ihr das anhand dieser simplen Situation verstehen könnt die ich jetzt hier so ausgeführt habe, aber für mich war das etwas Besonderes!


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