6 Monate sind jetzt vorbei. Halbzeit. Bald beginnt auf
meiner alten Schule wieder die Zeit der Abiturklausuren. Und das soll alles
jetzt wirklich schon ein Jahr her sein!?
Die Tage fliegen vorbei, vielleicht aber auch dadurch das
die Tage hier kürzer scheinen weil es schon um 18 Uhr dunkel wird und das jeden
Tag das ganze Jahr lang.
Auch wenn ich mein Leben hier natürlich mittlerweile Alltag
nennen kann, passieren manchmal Dinge auf die ich nicht vorbereitet bin, nicht
vorbereitet war und nicht vorbereitet sein kann. Sie finden mich einfach
überraschend und dagegen gibt es so gut wie gar nichts womit ich das verhindern
könnte. Selbstverständlichkeit ist etwas was ich an einem anderen Ort mit ganz
anderen Augen angeekelt betrachten lerne. Und diese Erschütterung von der
eigenen Selbstverständlichkeit mag zuerst etwas sein was schockiert aber ich
muss sagen dass ich jedes Mal wo mir das jetzt passierte, realisieren konnte
das ich lebe. Das sich die Welt dreht. Als würde mir jemand die Sonnenbrille
von der Nase hauen. Und auf einmal kann ich Dinge auf eine ganz andere Art und Weise
sehen und verstehen und ich meine wirklich sehen und nicht einfach betrachten.
Halbzeit bedeutet auch Zwischenseminar. Zwischenseminar
bedeutet ein Seminar zur Reflexion des bisherigen Aufenthaltes im Auslandsjahr
mit anderen Freiwilligen. Für unser Zwischenseminar kam sogar Barbara, die
Organisatorin der Vorbereitungskurse unserer Organisation extra, direkt aus
Deutschland eingeflogen. Mit 4 anderen deutschen Freiwilligen und einem der aus
Tansania herkam begann unser Zwischenseminar in Kibeho im Norden Ruandas, für 5
Tage vom 09.02.-13-02.2013. In Kibeho gibt es bis auf die heilige Quelle und
die Kirche wo die Marienerscheinung in der Nähe stattfand nicht wirklich viel,
so dass wir die Mittagspausen mit Wikingerschach zubrachten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht
nur für uns Mitspieler ein Spaß war, sondern auch für die Arbeiter die auf dem
Gelände der Schwestern bei der Arbeit waren. Das muss ziemlich unterhaltsam
ausgesehen haben wie 8 Weiße, darunter eine erwachsene Frau ihre Zeit damit zubringen
im Garten Stöcke auf die merkwürdigste Weise durch die Gegend zu werfen.
Ein
Ausflug war auch Teil des Zwischenseminars. Einen Nachmittag fuhren wir also
nach Murambi. In Murambi war 1994 eine Schule wo sich viele Menschen im
Völkermord zu verstecken versuchten. Ohne Erfolg. Die Berge toter Menschen müssen so umfassend
gewesen sein dass sich einige der Körper in der Mitte der Haufen konservierten,
mumifizierten. Heute ist dort ein Memorial errichtet wo man diese mumifizierten
Körper besichtigen kann sowie Massengräber und auch eine allgemeine Ausstellung
zur Erklärung der Ereignisse von 1994.
Ich war auf das, was ich im Inbegriff war zu sehen vorbereitet. Nachdem wir die Stellwände der
erklärenden Ausstellung hinter uns gelassen hatten führte uns die zuständige
Museumsführerin nach draußen in den Regen. Durch den Regen (wahrscheinlich) war
Stromausfall weswegen die Hälfte der Ausstellung im Dunkeln lag. Unsere
Handytaschenlampen ließen ihre winzigen Lichtkegel über die Fotos und Texte der
restlichen Stellwände wandern. Der Stromausfall und der Regen draußen verlieh
diesem Ort nochmal eine unangenehmere Atmosphäre. Zwei Zitate der Stellwände
blieben mir im Gedächtnis, außerdem kannte ich sie bereits aus dem Kigali
Memorial Center: „Als sie nach dem Holocaust sagten „nie wieder.“, war das nur
auf einige bezogen und nicht für andere gedacht?“ und „wenn du mich gekannt
hättest, hättest du mich nicht getötet.“ Meine Stoffschuhe durchnässten nach
wenigen Schritten im Regen. Vorbei an 2 Massengräbern die eher aussahen wie
gefliestes Schwimmbad mit zwei Luken im Boden ging es zu den kleinen ehemaligen
Schlafgebäuden der Schule. Die ersten zwei Räume der Schlafgebäude waren voller
Vitrinen mit aufgereihten Totenschädeln und Oberschenkelknochen. Das war
bereits in dem anderen Memorial so. Doch die Räume danach waren anders. In
ihnen befanden sich die mumifizierten Körper die geborgen wurden. Der Geruch
den die mumifizierten Körper verströmten war etwa wie: kreidige tote Maus. Aber
das alles schockierte mich nicht annähernd so wie ich erwartet hatte. Das waren
keine Leichen, das sah alles so unreal aus. Sie sahen aus wie Papiermenschen,
federleicht und so als würden zerbröseln würde man sie berühren.
Dennoch waren die
Positionen in denen sie erstarrt waren sehr verschieden. Manche sahen aus als
würden sie einfach schlafen und andere hatten die Hände vor ihr Gesicht gehoben
den Mund weit aufgerissen, als hätten sie geschrien. Die Papiermenschen lagen
wie auf Hüfthoben Holzlattenrosten. Auf einem davon lagen Kinder und Babies.
Papiermenschenpuppen. Drei oder viert
Räume voll dieser Papiermenschen besichtigten wir, danach gab es noch einen
Raum voller Kleidungsstücke. Ganze Regale, vollgestopft mit steifgewordenen,
verkeilten Kleidungsstücken.
Auch wenn man das nicht sagen kann gefiel mir der Ausflug
aus dem Grunde, dass diese Art von Memorial es fast schaffte Überbleibsel des
Völkermordes zu zeigen, die sonst in Ruanda nicht annähernd das ausdrücken was 1994 hier wirklich
geschah.
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